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Ballistischer Schutz

Aktualisiert: 8. März 2020

Eine Übersicht über die verschiedenen Schutzstufen SK1-SK4, wie sie ermittelt werden und was Ihr sonst noch über ballistische Schutzwesten und Helme wissen müsst gibt es hier.

1. Schutzweste Allgemein

2. Schutzklassen

3. Arten von Schutzwesten

4. Internationale Standards

5. Unterschiede deutsche /amerikanische Schutzklassen

6. Prüfung Durchschusshemmung / Stichschutz

7. Schutzwesten der Bundeswehr

8. Weichballistik

9. Hartballistik

10. Der Gefechtshelm Allgemein

11. Merkmale Moderner Ballistischer Schutzhelme

12. Aktuelle Internationale Entwicklungen

13. Gefechtshelme in der Bundeswehr

14. Bekannte Hersteller und Produkte


1. DIE SCHUTZWESTE

„Eine Schutzweste soll den Träger vor Geschosseinwirkungen (ballistischer Schutz), sonstigen mechanischen Einwirkungen und ggf. gegen Angriffe mit Messern (Stichschutz) schützen. Sie soll nicht nur das Durchdringen des Geschosses verhindern, sondern auch schwere Verletzungen vermeiden, die durch den Impuls des gestoppten Geschosses auf den Körper entstehen kann.“ (Quelle: Technische Richtlinie der deutschen Polizei)

Trifft ein Geschoss auf eine beschusshemmende Weste, so wird die kinetische Energie des Geschosses aufgenommen und auf eine möglichst große Fläche verteilt. Das Geschoss selbst verbleibt im Westenkörper und der Impuls wird an den Träger der Schutzweste weitergeleitet. Beides führt zu einem stumpfen Trauma

Somit machen Schutzwesten keinesfalls "kugelsicher", sondern schützen den Träger bis zum angegebenen Schutzgrad vor der tödlichen Wirkung von Geschossen.


2. Schutzklassen

SK L

Durchschusshemmend gegen Weichkerngeschosse, verschossen aus Pistolen im Kaliber 9 mm x 19

SK 1

Durchschusshemmend gegen Weichkerngeschosse und Polizeigeschosse, verschossen aus Kurzwaffen (einschließlich Maschinenpistolen) im Kaliber 9 mm x 19

SK 2

Durchschusshemmend gegen Vollgeschosse (z.B. aus Kupfer oder Messing) oder Eisenkerngeschosse, verschossen aus Kurzwaffen, einschließlich Maschinenpistolen

SK 3

Durchschusshemmend gegen Weichkerngeschosse, verschossen aus Langwaffen

SK 4

Durchschusshemmend gegen Hartkerngeschosse, verschossen aus Langwaffen

SK4 SAPI Platte

3. Arten von Schutzwesten

SK L ST

Durchschusshemmend gegen Weichkerngeschosse, verschossen aus Pistolen im Kaliber 9 mm x 19 und stichhemmend gegen Angriffe mit Messern (Klinge)

SK 1 ST

Durchschusshemmend gegen Weichkerngeschosse und Polizeigeschosse, verschossen aus Kurzwaffen (einschließlich Maschinenpistole) im Kaliber 9 mm x 19 und stichhemmend gegen Angriffe mit Messern (Klinge)

SK 2,3,4

Durchschusshemmend entsprechend der o.a. Schutzklassen und weitgehend stichhemmend gegen Angriffe mit Messern (Klinge) und spitzen Gegenständen (z.B. Nadeln und Kanülen) aufgrund des harten Schutzanteils.

Die Beschaffung erfolgt in den folgenden Versionen:

Unterziehschutzweste, die verdeckt, d.h. unter der Kleidung zu tragen ist

Überziehschutzweste, die über der Kleidung zu tragen ist

Bei der Unterziehschutzweste wird ein wesentlich größerer Traumawert als bei der Überziehschutzweste toleriert.

4. Welche internationalen Standards für den Schutz gegen Projektile gibt es?

Technische Richtlinie (TR) der deutschen Polizei mit ihren Schutzklassen SK1 bis SK4,

NIJ-I bis NIJ-IV vom amerikanischen National Institute of Justice

die englischen Normen des CAST (Center of Applied Science and Technlogy) HG1, HG1a, HG2, HG3, RF1, RF2, SG1

die Prüfrichtlinie nach VPAM (Vereinigung der Prüfstellen für angriffshemmende Materialien und Konstruktionen), welche u.a. in den Ländern Deutschland, Österreich, Schweiz, Niederlande, Belgien und Norwegen Anwendung findet

für den Stichschutz gibt es u.a. die deutsche Stichschutznorm, die Standards KR1 bis KR3 nach CAST, die Level 1-3 nach NIJ, sowie die Klassen K1 bis K4 nach VPAM

5. Unterschiede zwischen deutschen und amerikanischen Schutzklassen?

  • Die Testmethode,

  • die unterschiedliche Einteilung in Schutzklassen

  • die unterschiedlichen Geschosse, die verwendet werden

Anders als bei der US-Richtlinie verlangt die Deutsche Richtlinie einen sogenannten "aufgesetzten" Beschuss, bei dem die Waffe während des Beschusses mit einer Kraft von 100 Nm auf die Probe angepresst wird. Des Weiteren erfolgt bei der Deutschen Richtlinie der Winkelbeschuß bei einem Winkel von 25° gegenüber 45° und 60° bei US-Test. Die in der Deutschen Richtlinie geforderten Tests mit Konditionierungen der Schutzpakete bei -20° C und +70° C sind nicht Bestandteil der NIJ-Forderung. Auch die verwendeten Geschosse sind nicht identisch. So wird zum Beispiel in den sehr gebräuchlichen Schutzklassen, die am ehesten verglichen werden (die Deutsche Schutzklasse 1 und der NIJ-Level III-A) in der Deutschen Forderung kein Beschuss mit der .44 Magnum durchgeführt. Auf der anderen Seite ist das verwendete 9 mm Geschoss nicht identisch. Die in der Deutschen TR vorgeschriebene DM41SR ist aufgrund des Stahlmantels durchaus aggressiver als die im NIJ verwendete 9 mm Patrone.

Ähnlich markant ist auch der Unterschied bei der Schutzklasse 4 im Vergleich zum Level IV des NIJ. Während der Schutzeinschub nach Deutscher Richtlinie einem Test mit 3 Schuss ausgesetzt wird, erfordert die US-Norm nur einen einzelnen Schuss. Auch hier verhalten sich die verwendeten Geschosse unterschiedlich.

6. Wann ist eine Prüfung nicht bestanden?

Die Prüfung der Durchschusshemmung ist nicht bestanden, wenn:

ein glatter Durchschuss erfolgte,

das steckengebliebene Geschoss von der dem Körper zugewandten Seite des Prüfobjektes zu sehen ist,

Teile des Prüfobjektes (z.B. Metallsplitter) im Plastilin zu finden sind,

der Mittelwert aus den bei einer Prüfung (z.B. Temperaturtest) gemessenen Eindrucktiefen in Plastilin den bei der Plastizitätsmessung ermittelten Mittelwert bzw. den 2fachen Mittelwert (beim aufgesetzten Schuss der Schutzklasse 1 sowie bei der Prüfung von Unterziehschutzwesten) überschreitet​

Die Stichprüfung ist nicht bestanden, wenn:

die Prüfklinge tiefer als 20 mm in das Plastilin eindringt,

die Summe der Werte für Ausbeutung und Eindringtiefe 40 mm gegenüber der ursprünglichen Oberfläche überschritten wird

Teile des Prüfobjektes (z.B. Metallsplitter) im Plastilin zu finden sind

7. Verwendete Schutzwesten der Bundeswehr

Schutzweste Standard (ST),

Spezialkräfte (SK) und

Infanterie (IdZ-ES)

des dt. Herstellers Mehler Vario Systems

Schutzweste Feldjäger

der GARANT Sicherheitstechnik AG

8. Weichballistik

Wirkungsprinzip: die Geschossenergie wird teilweise absorbiert, indem das Projektil die einzelnen Schichten in Bewegung versetzt und die Fasern sich dehnen; nun formt das Projektil auf der dem Körper zugewandten Seite des reißfesten Gewebes eine Ausbuchtung, bis sich Projektil und getroffenes Körpergewebe mit gleicher Geschwindigkeit bewegen

mehrschichtige Netz- oder Folienstruktur aus reißfestem Gewebe

zumeist Aramidfasern wie Kevlar oder Twaron; ggf. auch Zylon oder Dyneema

natürlicher Alterungsprozess, UV-Licht und Feuchtigkeit führen zum Verlust der extrem reißfesten Eigenschaften der Kunststoffe

bietet Schutz gegen Kurzwaffengeschosse

9. Hartballistik​

Wirkungsprinzip: das Geschoss trifft auf eine Platte aus hartem Material, die kinetische Energie wird von der Platte aufgenommen und führt zu Verformungen

Oxidkeramik- oder Polyethylenplatten, früher: ballistischer Stahl

es lassen sich je nach Materialstärke (oft im Schichtprinzip verschiedener Materialien) alle Arten von Geschossen stoppen

eine volle Schutzwirkung wird oft nur in Kombination mit weichballistischen Schutzpaketen erreicht

Standardgröße des US-Militär: 10 Zoll x 12 Zoll (25,4 cm x 30,5 cm) mit abgeschrägten oberen Ecken = (E)SAPI-Plates (Small Arms Protective Insert)

10. DER GEFECHTSHELM

Mitten im 1. Weltkrieg:

Schwere Kopfverletzungen durch Granatsplitter und Schrapnells​

Geburtsstunde des "Stahlschutzhelm Modell 1916"

aus einer Stahlplatte in 6 Arbeitsschritten hergestellt

ausgeprägter Stirn- und Nackenschutz

"(...) die Zahl der Verwundungen im Kopf- und Nackenbereich steigt seit dem 20. Jahrhundert stetig. Derzeit machen sie zwischen 20 und 39 Prozent der Verwundungen insgesamt aus." (Jan-Philipp Weisswange: Schutz für die "Haupt"-Waffe - Moderne


11. Merkmale Moderner Ballistischer Schutzhelme

Schutz

Beeinflussung der Schutzwirkung durch Materialwahl und -stärke, Design, Innenausstattung einschließlich der Bebänderung

Schutz vor Stürzen, Schlägen und Stößen

Erhöhung der Schutzwirkung und -fläche durch ggf. zurüstbare Elemente

Kombinationsmöglichkeit mit anderen Schutzelementen wie Augen-, Gehör- und Atemschutz

Tarnschutz durch farbige Beschichtung der Kalotte, Tarnüberzüge oder natürlichem Tarnmaterial oder Bemalung

Gefechtshelme)

Schnittstellen

Sprechfunk, Nachtsichttechnik, Kameras, Leuchten, ggf. Gegengewichte

für Nachtsichttechnik gibt es inzwischen standardisierte Schnittstellen, beispielsweise aus dem Hause Wilcox

bei vielen Modellen ist eine Anbringung seitlicher MIL-STD 1913-Schienen möglich

Tragekomfort

moderne Helmmodelle verfügen über eine Vielzahl an individueller Anpassungsmöglichkeiten

einklettbare Polsterungen (Pads), NOSHA Netzgestell der Bundeswehr-Gefechtshelme

der Nutzer muss den Helm über lange Zeit ermüdungsfrei tragen und auch dynamische Einsätze durchführen können

Der Gefechtshelm dient bei weitem nicht nur als Schutz des Kopfes vor stumpfen Schlägen, Splittern, Schrapnells, Beschuss und anderen Bedrohungen, sondern als modulare Schnittstelle zu weiterer Ausstattung (Nachtsicht- und Kommunikationstechnik, Schutzelemente).

12. Aktuelle Internationale Entwicklungen​

der seit den 1980er Jahren in Erscheinung getretene und seither das Erscheinungsbild moderner Streitkräfte prägende US-Helm „Fritz Hat“ des Personal Armor System Ground Troops (PASGT) wird abgelöst

neue Designs und Materialien – vor allem hochfeste Polyethylene – finden Verbreitung

seit Mitte der 2000er Jahre lassen sich Helme mit einem Sprechsatz oder aktivem Kapselgehörschutz tragen

so entstandenen neben der klassischen Low-Cut-Kalotte vermehrt Mid-Cut und High-Cut-Kalotten, um dank verkürztem Rand oder Aussparungen Platz für den Kapselgehörschutz zu schaffen

die US-Streitkräfte stellten auf das Modell MICH (Modular Integrated Communications Helmet) bzw. ACH (Advanced Combat Helmet) um; zusätzliche Einführung des Polyethylen-Modells ECH (Enhanced Combat Helmet)

weitverbreitet sind die FAST (Future Assault Shell Technology) Helme des US-Herstellers Ops-Core

die wesentlich leichteren FAST-Helme bestehen nicht mehr aus Aramid, sondern aus Polyethylen aus dem Hause Dyneema

seit Ende 2011 gehören die weltweit sehr weitverbreiteten FAST-Modelle in Norwegen zur querschnittlichen Ausrüstung

in Deutschland vertreibt Hexonia die Ops-Core-Helme mit modularen Erweiterungen, beispielsweise mit einer aufsetzbaren Panzerungsplatte

Das Gefechtshelmsystem SpezKr: neueste ballistische Materialien, ergonomische Inneneinrichtung, geringes Gewicht, hoher ballistischer Schutz und Tragekomfort, individuelle Anpassung dank verschiedener Pads und verstellbarer Bebänderung

13. Gefechtshelme in der Bundeswehr

seit den 1990er Jahren wurde der an das amerikanische M1-Design angelehnte Stahlhelm durch den „Gefechtshelm, Bodentruppen“ ersetzt

es handelt sich um einen Aramid-Helm mit NOSHA-Innenausstattung und klassischer Kalotte

zum Rüstsatz des Infanteristen der Zukunft – Erweitertes System zählt der FAST-Helm

der FAST-Helm war die Basis für das jüngst von Hexonia an die Bundeswehr gelieferte „Gefechtshelmsystem SpezKr“

modulares System aus insgesamt 25 Artikeln, zum Satz gehört der Gefechtshelm und ein leichter, als „Geräteträger“ dienender Helm für Anwendungen (kein ballistischer Schutz)

verschiedene Anbauteile: adaptiver ballistischer Schutz für Gesicht und Seiten, Schnittstellen für Kameras/Lampen/Nachtsichtgeräte/Kapselgehörschutz, verschiedene Tarnüberzüge, Gegengewichte, Zubehörtaschen

14. Bekannte Hersteller und Produkte

3M / Schuberth

3M Combat II:

wurde bei den US-Streitkräften bereits als ECH eingeführt

besteht aus Polyethylen-Werkstoff (Ultra High Molecular Weight Polyethylen, UHMWPE)

bietet erstmalig Schutz gegen ausgewählte Langwaffenkaliber

hat sich im Einsatz bereits gegen Beschuss aus dem AK-47 bewährt

3M ULW-BBH:

besteht aus UHMWPE, orientiert sich von den Größen her am ECH

höher ausgeschnittene Kalotte, verschraubungsfreie Konstruktion

besonders geringes Gewicht

eignet sich zum Fallschirmsprungdienst

schützt vor Stößen, Schlägen, Splittern, NIJIIIA

ARMORSOURCE

war maßgeblich an der Entwicklung des ACH-Konzeptes beteiligt

gemäß der VPAM BW-TL geprüfte und zertifizierte Helme AS 505 (LW-ACH), AS 501, AS 600

alle Helme gemäß EN 397 geprüft und zertifiziert

AS 600:

besitzt zusätzlich eine zertifizierte Beschusshemmung gegen 7.62 x 51 mm M80 (bei ca. 680 m/s) und gegen 7.62 x 39 mm Weichkerngeschosse bei einer Distanz von 10 Metern, sowie eine Zertifizierung gemäß VPAM3 im Sinne der polizeilichen TL aus Mellrichstadt

intensive Testreihe mit der Armasuisse und der Schweizer Armee

Quellen

NIJ-Portal Body Armor http://www.ojp.usdoj.gov/nij/topics/technology/body-armor/welcome.htm

Technische Richtlinie „Ballistische Schutzwesten“ http://www.pfa.nrw.de/PTI_Internet/pti-intern.dhpol.local/WG/Regelungen/Schutzweste/SchutzwesteTR_03-08_Revisionen-10-08_09-09.pdf

Mehler VarioSystems: http://www.m-v-s.de/pdf/Schutzklassen_Deutsch_Ref_SW051021.pdf

Dragon Skin® von Pinnacle Armor: http://www.pinnaclearmor.com/body-armor/dragon-skin.php

Lisa Myers report: http://dailynightly.msnbc.com/2007/05/army_responds_t.html

PTIOnline: http://www.pfa.nrw.de/PTI_Internet/pti-intern.dhpol.local/WG/Schutzausstattung/Stichschutz_97.html

PTIOnline: http://www.pfa.nrw.de/PTI_Internet/pti-intern.dhpol.local/WG/Regelungen/Koerperschutz12-95.pdf.html

Stephan Restle: Ballistische Schutzwesten und Stichschutzoptionen. Kabinett Verlag, Bischofszell 1997, ISBN 3-906572-03-X.

Vereinigung der Prüfstellen für angriffshemmende Materialien und Konstruktionen (VPAM) (Hrsg.): Prüfrichtlinie „Stich- und Schlagschutz“. Stand: 18. Mai 2011

TL-Suchmaske des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung TL.-Nr. 8470

Homepage von Mehler Vario Systems mit Datenblättern einiger beschriebener Schutzwesten

Homepage von GARANT Sicherheitstechnik AG, dem Hersteller der Schutzweste Feldjäger

Dr. sc. forens., Dipl.-Math. Beat P. Kneubuehl: Ballistischer Schutz, Juni 2000, überarbeitet März 2003

Jan-Phillipp Weisswange: Schutz für die "Haupt"-Waffe - Moderne Gefechtshelme


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